Neuer Chef bei Intertabak AG: Was er ändern will.

Intertabak AG: Tony Hoevenaars

Tony Hoevenaars ist seit März 2020 der neue Chef der Intertabak AG in Pratteln, Schweiz (offizieller Importeur cubanischer Zigarren für die Schweiz und Liechtenstein). Ich traf ihn am 27.04.2020 in Pratteln zum Gespräch. Er ist ein angenehmer und ruhiger Gesprächspartner. Seine Antworten auf meine Fragen wählt er präzise. Hin und wieder spüre ich Leidenschaft in seinen Ausführungen. Hier erkenne ich die Vermischung seines betriebswirtschaftlichen Studiums mit jahrzehntelanger Erfahrung im Zigarrenbusiness und seine Liebe zur cubanischen Zigarre. Vielleicht noch besser gesagt: Seine Leidenschaft einen Markt zu entwickeln. Ich glaube, das trifft es am besten. Seine fundierten Kenntnisse der Branche führten ihn im Jahr 2004 nach Belgien. Dort führte er bis Februar 2020 das Importgeschäft für die Habanos S.A. und etablierte von Null auf bisher 11 Casa del Habano. Lassen wir Tony Hoevenaars doch selbst zu Wort kommen:

ZigarrenZone: Was für ein Mensch ist Tony Hoevenaars?

Tony Hoevenaars: Ich bin 56 Jahre und in den Niederlanden geboren. Studiert habe ich Betriebswirtschaft und habe den Master gemacht. Seit damals habe ich fast immer im Tabakbusiness gearbeitet. In all den Jahren habe ich ab und zu die Branche gewechselt. Aber es hat mich immer zurück ins Tabakbusiness verschlagen. Im Jahr 2004 wurde ich von Habanos SA angefragt, ob ich nicht als General Manager für den Import in BENELUX tätig sein möchte. Ich habe zugesagt und arbeitete dort bis Februar 2020.

Intertabak AG: Tony Hoevenaars
Tony Hoevenaars ist ein leidenschaftlicher Markt-Entwickler.

Worauf bist du besonders stolz während der Zeit als General Manager?

Auf die Entwicklung des Kuba-Geschäftes vor allem in den Niederlanden. Mein Heimatland hat eine reiche und jahrhundertalte Tradition für Maschinenzigarren. Die Menschen hier sind sehr stolz auf ihre niederländischen Zigarren. Es war nicht einfach karibische Zigarren durchzusetzen. Aber es hat geklappt. Die Händler haben verstanden, dass man eine COHIBA verkaufen muss anstatt 30 oder 40 Maschinenzigarren um den gleichen Gewinn zu erwirtschaften. Aufgrund des Erfolges, und weil Martin Weber in Rente ging im Jahr 2020, hat mich Habanos S.A. angefragt, ob ich nicht den Schweizer Markt übernehmen möchte. 

War es einfach für dich diese Entscheidung zu treffen?

Es ist ein komplett anderer Markt. Nach etlichen Gesprächen und meiner Evaluation des Marktes habe ich zugestimmt. Ich bin sehr froh hier zu sein. Mit dem Timing hatte ich allerdings kein Glück. COVID-19 kam dazwischen. Martin Weber hat ein sehr gutes und umfassendes Einführungsprogramm für mich organisiert. Ich war mit ihm nur 2 Wochen unterwegs um unsere Händler zu besuchen. Dann mussten wir uns neu orientieren um die Massnahmen des Bundesrates zum Schutz der Menschen umzusetzen.

Cohiba El Laguito, Cuba
Das Flaggschiff cubanischer Zigarrenproduktion: COHIBA in der El Laguito Manufaktur.

Neuer Chef – neuer Plan. Was möchtest du in der Schweiz umsetzen?

Die Firma funktioniert gut. Was mir aufgefallen ist: Der Umsatz der Casa del Habano ist in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland und BENELUX weniger gut. Ich glaube, dass es Möglichkeiten gibt, um das Geschäft von Casa del Habano zu entwickeln. Ich möchte mich gerne vermehrt um dieses Geschäft kümmern. Ausserhalb von den Casas haben wir einige sehr grosse Kunden, die wir überaus schätzen. Ich möchte sowohl Grosskunden mehr ausbauen sowie auch das mittlere Kundensegment. Die Balance zwischen Gross- und Mittelkunden sowie Kleinkunden finde ich betriebswirtschaftlich sehr wichtig.

In einer Casa del Habano muss man das komplette Sortiment antreffen und vor allem die Spezialitäten.

Der Umsatz in der Schweiz der Casas ist deiner Analyse zufolge zu gering. Liegt es daran, dass die einzelnen Casas weniger Umsatz machen oder weil die Anzahl der Casas in der Schweiz gering ist?

Beides. Aber es hat noch andere Gründe. Zunächst mal: International sind die Casas sehr hoch angesehen und sie werden von den Konsumenten gesucht. In einer Casa del Habano muss man das komplette Sortiment antreffen und vor allem die Spezialitäten. Dieser andere Grund ist das Onlinebusiness. Dieses ist in der Schweiz bei den Casas weniger gut entwickelt. Ich kenne die Gründe noch nicht, weil ich aufgrund COVID-19 noch nicht alle Geschäfte besuchen konnte. Ich bin überzeugt, dass das Onlinegeschäft für die Casas noch viel Potenzial hat. Ausserdem hat man in der Schweiz noch Potenzial für zusätzliche Casas; z.B. in der französischen Schweiz und auch im Südosten. 

Und noch einen wichtigen Grund gibt es: Wir brauchen mehr Unterstützung von unserem Lieferanten aus Cuba, also von Habanos S.A.. Wir müssen einfach mehr Spezialitäten bekommen. Und: Wir brauchen mehr und schneller das Standardsortiment. 

Ein weiterer wichtiges Aspekt ist: Als Verpflichtung ist eine Lounge in den Casas die Vorschrift. Aber in den meisten gibt es keine Lounge. Wir müssen es schaffen, dass in den Casas eine Lounge zum Verweilen einlädt. In den Kantonen, wo das erlaubt ist, müssen wir es hinbekommen. Oder es unter den gesetzlichen Bestimmungen des Kantons hinbekommen.

Cuba und die Tabakfelder
Das Viñales Tal auf Cuba.

Ist eine Casa Del Habano wirklich ein so wichtiger Vertriebskanal?

Ja, auf jeden Fall. Als ich BENELUX entwickelt hatte gab es keine Casa del Habano. Jetzt gibt es 11 in BENELUX. Alle haben eine Lounge. Die Leute treffen sich in diesen Lounges. Zigarrenclubs machen ihre Meetings hier. Oder man verabredet sich an einem Samstag shoppen zu gehen und dann geht man noch in eine Casa del Habano um den Tag zu Ende zu bringen. Es gibt viele Leute, die benützen eine Casa wie ihr Stammlokal, denn sie sind einfach immer da. Die Casas in BENELUX haben auch viele internationale Kunden. Und: Die Casas haben unterschiedliche Konzepte was ihre Kundschaft angeht: Die einen zielen mehr auf die ältere Generation ab und die anderen zielen auf die jungen Zigarren Aficionados. Diese zwei Generationen suchen ein unterschiedliches Ambiente. Dieses Konzept ist in der Tat ein sehr wichtiger Vertriebskanal für kubanische Zigarren.

Wenn jemand eine Casa Del Habano eröffnen möchte, welche Voraussetzungen braucht er für die Lizenz?

Er braucht 4 Voraussetzungen: Er braucht einen Laden, einen Walkin Humidor, Mietfächer für die privaten Zigarren des Kunden und eine Lounge. Wenn es gesetzlich verboten ist eine Lounge zu haben, dann kann man davon absehen.

Die Habanos S.A. ist an der Intertabak AG zu 50% beteiligt. Kannst du als CEO selbständig Entscheidungen fällen oder musst du immer alles absegnen lassen?

Beim daily business kann ich selber entscheiden und bei kleineren Dingen auch. Wenn es um Strategie geht und damit auch um Investitionen und um grössere Veränderungen, dann entscheidet unser Gremium bei uns. Entscheidungen werden normalerweise unkompliziert gefällt, denn alle haben das gleiche Ziel: Sie wollen das Business fördern. Wir verstehen uns sehr gut untereinander.

Die kubanischen Interessen sind zum Beispiel die gute Auslastung der Mitarbeiter auf Cuba, und dass Zigarren produziert werden. Die Interessen der Schweizer Teilhaber sind eher von finanzieller Natur geprägt.

Das heisst, Diplomatie von deiner Seite her ist nicht angesagt, oder?

Ich glaube nicht. Natürlich muss man hin und wieder auch fühlen welche Interessen verfolgt werden. Die kubanischen Interessen sind zum Beispiel die gute Auslastung der Mitarbeiter auf Cuba, und dass Zigarren produziert werden. Die Interessen der Schweizer Teilhaber sind eher von finanzieller Natur geprägt. Aber wie gesagt, alle verfolgen das selbe Ziel, nämlich die Kultur der cubanischen Zigarren zu fördern und anzukurbeln. 

Wir machen jetzt gedanklich eine Reise nach Cuba.

Ja, das wäre schön 🙂

Auf Cuba gibt es kleine Anbauflächen für Tabak. Der Boden ist ausgelaugt. Die kubanischen Zigarren schmecken deshalb nicht mehr so wie „früher“. Man könnte zusätzliches Land für Tabak erschliessen. Wenn du zaubern könntest, was würdest du verändern?

Zuerst einmal: Ich bin nicht mit deiner Aussage einverstanden, dass der Boden ausgelaugt ist. Die Felder werden unterschiedlich bewirtschaftet. Im Sommer wachsen andere Pflanzen auf den entsprechenden Feldern. ROBAINA zum Beispiel lässt jedes Jahr auch Bohnen wachsen. Diese werden aber nicht geerntet, sondern zum Schluss der Erde untergemischt. Aber ich bin mit folgendem einverstanden: Es könnte besser sein. Und zwar könnte es von der Menge wie von der Qualität besser sein. Um mich richtig zu verstehen: Die Qualität des Tabaks ist sehr hoch, aber es kann noch besser sein. 

Cuba und die Tabakfelder
Cuba und die Tabakfelder: Es gäbe noch Land zum erschliessen.

Also, falls ich zaubern könnte: Ich würde an der Motivation der Menschen etwas machen. Das machst du auch auf Cuba am besten damit, dass du mehr und pünktlich zahlst. Was meine ich damit: Der Tabakbauer hat den Vertrag mit dem cubanischen Staat, dass er ihm seinen Tabak abkauft. Wenn man dem Tabakbauern mehr zahlen würde für den Tabak und pünktlich, dann würde die Motivation für den Anbau steigen.

Übrigens: Diesen Gedanken haben viele Leute auf Cuba, die im Tabakbusiness tätig sind. Auf Cuba, sogar in Pinar del Rio, gibt es noch ausreichend Land, das nicht kultiviert wird. Das könnte man sehr gut für den Tabakanbau nutzen.

Ich habe niemals, weder offiziell noch inoffiziell, Beweise gesehen, dass Cuba Tabak einkauft um Zigarren zu produzieren.

Es gibt immer wieder Gerüchte, dass Cuba Tabak einkauft um Zigarren zu produzieren, weil sie zu wenig Tabak haben. Was kannst du uns darüber sagen?

Ich habe niemals, weder offiziell noch inoffiziell, Beweise gesehen, dass Cuba Tabak einkauft um Zigarren zu produzieren. Es gab eine Zeit lang das Gerücht, dass Cuba Deckblätter einkauft. Wenn dem so wäre, dann würden mehr Zigarren produziert werden. Und zwar die grossformatigen Zigarren, denn für diese Zigarren haben wir zu wenig grosse Deckblätter. Diese Gerüchte sind 100% Fake-News denn sie entbehren jeglicher Logik.

Aber ich weiss, dass hier in die Schweiz durch den Parallelimport viele Fälschungen ins Land kommen. Wir haben bislang nicht viel dagegen unternommen. Habanos S.A. hat sehr grosses Interesse daran diese Fälschungen zu stoppen.

Genau so berühmt wie cubanische Zigarren sind ihre Fälschungen. Was weisst du über die organisierten Banden, die massenweise Fälschungen weltweit unter die Leute bringen?

Über organisierte Banden weiss ich nichts. Ich weiss, dass die Fälschungen aus diversen Ländern stammen wie Brasilien, Mexico oder sogar China. In den BENELUX hatte ich damit keine Probleme, denn wir sind der einzige Importeur und es gibt keinen Parallelimport. Aber ich weiss, dass hier in die Schweiz durch den Parallelimport viele Fälschungen ins Land kommen. Wir haben bislang nicht viel dagegen unternommen. Habanos S.A. hat sehr grosses Interesse daran diese Fälschungen zu stoppen. Diesbezüglich wird es in nächster Zeit Änderungen bei der Intertabak geben. Es wird ein zusätzliches Schweizer Siegel auf der Kiste geben, welches bezeugt, dass es sich um diese Zigarren um Originale handelt und durch den offiziellen Importeur ins Land gebracht wurde. Ach das Einlegeblatt im Innern der Kiste wird überarbeitet. Der Kleber auf der Rückseite bleibt wie bisher bestehen. Die Aufklärung für den Konsumenten ist wichtig.  Der Parallelimport ist zwar in der Schweiz legal, aber auf diese Weise kommen auch Fälschungen ins Land – und das ist illegal.

Solche schlecht gemachten Aufkleber sind eines der Indizien auf eine Fälschung.

Tipp: Merkmale kubanischer Zigarrenkisten

Woher stammen diese grossen Mengen via Parallelimport? 

Ein Teil kommt aus Spanien. Das ist bei Händlern gut sichtbar, denn der Aufkleber von Tabacalera ist auf der Kiste. Wir wissen auch, dass sie aus Frankreich rein kommen sowie von Afrika und Nah-Ost. Sogar aus Hongkong. Was wir nicht wissen ist wer die Mittelsmänner dieser Importeuere sind. Ich persönlich glaube nicht, dass ein Importeur ins Ausland verkauft. Würde er das machen, dann würde die Habanos S.A. ihn abstrafen. Denn jeder Importeur darf gemäss Vertrag nur in seinem zugewiesenen Land die Zigarren verkaufen und keinesfalls ins Ausland liefern.

Da sehen die Casa del Habano zum Beispiel Spezialitäten, die nur für die Casa del Habano hergestellt wurden und sie können sie beim offiziellen Importeur entweder nicht oder in zu geringen Mengen kaufen. Aber sie sehen diese Zigarren beim Parallelimport. Das ist eine absurde Situation.

Warum kann die Intertabak AG diese grossen Mengen nicht einkaufen? Denn die Händler weichen auf den Parallelimport aus, weil sie die Zigarren dort bekommen und bei euch nicht. Was kannst du dazu sagen?

Gute Frage. Warum haben wir zu geringe Mengen oder gar keine mehr von diversen Zigarren, obwohl sie der Parallelimport noch hat? Das ist für mich eine sehr gute Frage, die sich Habanos S.A. auch stellen sollte. Es sieht so aus, dass Grosskunden in anderen Ländern viel Ware von ihrem Importeur kaufen. Was mit diesen Grossmengen schlussendlich passiert kann nicht zurückverfolgt werden. Dort ist ein Überschuss vorhanden und wir als offizieller Importeur haben zu wenig Ware! Und zwar sowohl vom Standardsortiment sowie von den Spezialitäten. Da sehen die Casa del Habano zum Beispiel Spezialitäten, die nur für die Casa del Habano hergestellt wurden und sie können sie beim offiziellen Importeur entweder nicht oder in zu geringen Mengen kaufen. Aber sie sehen diese Zigarren beim Parallelimport. Das ist eine absurde Situation. Die Habanos S.A. weiss nicht, woher diese Ware kommt. Manchmal erwischt man die Mittelsmänner, meistens aber nicht. Wir werden jedoch alles daran setzen, diese Situation zu ändern.

Welche Story kannst du uns über Cuba oder cubanische Zigarren erzählen?

Im Jahr 2005 war ich zum ersten Mal auf Cuba. Ich habe Don Alejandro kennen gelernt. Später war er auch bei mir zu Hause in Belgien. Es ist leider so, dass wir auf Cuba keine Zigarrenmarkenbotschafter haben. Solche Botschafter kennen wir aus anderen Ländern. Mit Don Alejandro haben wir den einzigen Markenbotschafter Cubas gehabt. Er war als Mensch mit seinem Charisma und seinem Fachwissen wirklich ein Botschafter für die cubanische Zigarre. Er hat keine Feinde gehabt. Ein unglaublicher Mensch und Botschafter. 

Als Schlusswort möchte ich gerne noch folgendes sagen: Wir haben auf Cuba viele schwierige Jahre erlebt im Tabakanbau und der Zigarrenproduktion. Aber es wird langsam besser. Die cubanische Zigarre ist legendär und hat oftmals einen Mythos um sich herum. Das Mikroklima in Pinar del Rio ist einzigartig auf der Welt.

Cuba und die Tabakfelder
Das Mikroklima in Pinar del Rio ist einzigartig auf der Welt. Hier ein Blick in das Viñales Tal.

Tipp: Der Verkauf von 50% von Habanos S.A. an China

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